AdventsBloggalender die Zweite – das Schneeflöckchen

Es war einmal ein kalter Dezembertag – Heiligabend.
Der Himmel war grau und es schneite. Eine kleine weiße Schneeflocke fiel aus den Wolken und war glücklich. Dies ist die Geschichte der Schneeflocke, die eine lange Reise machte um die Welt zu erkunden.

Sie verabschiedete sich von der großen Wolke und rief glücklich: „Danke, dass du so lange auf mich aufgepasst hast.“ Sie sah edel aus. Eine wunderschöne Schneeflocke. Ihre Kristallmuster waren sehr ausgeprägt und die Flocke schwebte fröhlich im Wind.
Von ganz weit oben sah sie herunter auf die Gegend, in der sie wahrscheinlich landen würde. Dabei wurde es ganz hell um sie herum, auch wenn keine Sonne mehr schien war es ein heller Schein. Die Schneeflocke schwebte zwischen tausend anderen Flocken und war ganz aufgeregt. „Ist es auch euer erstes mal?“ fragte Sie, aber die anderen wollten nicht mit ihr reden. Alle schauten zur großen Stadt, zur Weihnachtsbeleuchtung in den Vorgärten und zu den großen und festlich geschmückten Bäumen.

Wenig später schwebte die Schneeflocke schon zwischen den Ästen einer großen Tanne und erschrak sich.
„Aua, das tut doch weh!“ fauchte sie die Tanne an, doch die Tanne entgegnete ihr nur: „Genieße den Fall, spätestens wenn die Menschen kommen, tut es noch viel mehr weh.“ „Wieso tun mir die Menschen weh, und was sind überhaupt Menschen?“ versuchte die Flocke noch zu fragen, doch im selben Augenblick landete sie sanft neben ganz vielen anderen Flocken. Mutig kletterte die kleine Flocke an die höchste Stelle die sie finden konnte und schaute sich aufgeregt und neugierig um.

„Wunderschön“, murmelte sie. So viel bunte Lichter und Dinge die sie noch niemals gesehen hatte. Das Flöckchen fühlte sich wie im Paradies, überall waren Bekannte und Freunde aus Ihrer Vergangenheit und ganz viele andere Flöckchen. Wenn sie sich umschaute, sah sie aber auch zerdrückte Flöckchen, eingefrorene und grauschmutzige. Aber das störte sie nicht. Sie schaute zu den bunten Lichtern und sah etwas Merkwürdiges. Einen roten Mann mit einem grauen Sack, der herzlos durch die Schneeflocken stapfte. Das Flöckchen war neugierig und versuchte dem Mann zu folgen. Doch leider schaffte es das Flöckchen nur bis zu einem Fenster. Sie schaute den Mann an, der den Menschen Geschenke gab. Im Haus stand eine Tanne, sehr prächtig geschmückt und Drumherum glitzerten funkelnde Lichter.

Ein kleiner Spatz sah das kleine Flöckchen am Fenster sitzen und flog zu ihr herüber: „Hi, ich bin Fritz der Spatz.“ „Wer bist Du?“, fragte das Flöckchen leicht verängstigt, denn der Spatz war tausendmal größer und saß direkt neben ihr.
„Na, ich bin Fritz der Spatz. Ist das dein erster Besuch hier?“ „Ja. Ich bin eine Schneeflocke“, stotterte sie, doch der Spatz plauderte schon weiter.
„Ich muss dir hier viel Erklären, wir sind auf der Erde in einer Stadt in der Menschen wohnen. Du gehörst zur Natur, genauso wie ich das tue. Ich bin ein Spatz, also ein Vogel und du bist gefrorener Regen, also eine Schneeflocke. Ich nenne Dich mal Clara, die kleine Flocke Clara.“ Die Schneeflocke war erstaunt, doch sie kam gar nicht zu Wort. „Also Clara, pass auf, ich erzähle Dir nun etwas. Wir gehören alle zur Natur und alle Lebewesen und Naturereignisse können sich untereinander unterhalten. Nur die Menschen, die haben das früher mal verlernt. Sie achten nicht mehr auf uns oder hören gar auf uns. Dann gibt es noch Tiere, die leben mit den Menschen, aber im Grunde machen sie es nur aus Abhängigkeit, da sie ohne die Menschen nicht mehr leben könnten. Selbst ich als Spatz bin in solchen Städten auf die Menschen angewiesen, sie füttern uns im Winter – schau dort hinten das Vogelhaus – und im Sommer lassen die Menschen überall kleines Nahrungsstücke fallen bei Kaffee & Kuchen. Und du liebe Clara, du bist ein Winterereignis. Aber es kann gut passieren, dass du im Sommer mal als Regen durch die Luft fliegst oder aber in einem See oder im Meer landest und dort neue Erfahrungen sammelst. Aber jetzt ist es Winter und du hast Dir die schönste Erscheinungsform gewählt. Die Kinder spielen am Tage immer mit deinem Artverwandten und bauen Skulpturen aus dir. Und weißt du noch etwas?“ Clara war völlig überfordert. Alles auf einmal, aber sie versuchte sich das zu merken. „Was weiß ich?“ fragte sie ängstlich, denn sie merkte es wurde ihr alles zu viel. „Heute ist Weihnachten. Das Fest der liebe. Frag den Wind mal, ob er dich durch die Gärten schickt und durch die Straßen weht, dann siehst du wie schön es ist. Und die Menschen dort, die feiern grad Bescherung. Sie haben einen Tannenbaum und der Kerl in rot, dass soll der Weihnachtsmann sein. Die Eltern glauben aber nicht daran, doch tun sie den Kindern den gefallen und lassen sie im glauben es gibt ihn wirklich. Aber das wirst Du sicher auch noch selbst herausfinden. Also halte Dich an den Wind…“ Im gleichen Augenblick flog der Spatz los und ließ das kleine Flöckchen zurück.
„Warte…“ doch Fritz war schon weg.

Clara schaute sich um und sah den roten Mann losgehen. Er sah irgendwie komisch aus. „Hey, Wind, wo bist du?“ stammelte Clara leise. Clara wurde mutiger.
„Lieber Wind, der Spatz hat mir gesagt, dass Du mir die schöne Welt an Weihnachten zeigen kannst. Lieber Wind, bitte zeig es mir.“

Doch nichts passierte. Traurig ging Clara wieder zu den anderen Flöckchen zurück und suchte sich eine schöne Stelle im weißen Garten zwischen den bunten Lichtern. Auf einmal wurde es windig und Clara wurde durch die Luft gewirbelt. „Hallo Clara“ sprach eine dumpfe Stimme. „Ich bin es der Wind. Ich werde Dir nun alles zeigen, was du sehen willst.“

Vorbei ging es an grauen Straßen, die durch Streusalz nicht mehr von Schnee bedeckt waren, an Wäldern vorbei, die völlig weiß waren. Es ging an Menschen vorbei, die sich mit Schneebällen bewarfen und an Menschen, die einsam durch den Schnee spazierten. Vorbei an zugefrorenen Flüssen und an völlig verdreckten Orten. Der Zoo hatte schon zu, aber der Wind zeigte dem Flöckchen die Welt der Menschen – gefangene Tiere und alles mit Recht und Ordnung und dann an großen und kleinen Autos vorbei. Die Luft wurde schmutzig und die kleine Clara war schon längst nicht mehr so weiß, wie sie es anfangs war. Doch der Wind stoppte nicht. An einer Kirchturmuhr schlug die Glocke 12 Uhr und plötzlich sprach der Wind: „Nun halt dich ganz doll fest kleine Clara. Jetzt erlebst Du ein Wunder.“

„Was für ein Wunder…?“ aber der Wind antwortet nicht mehr. Das Flöckchen schaute sich um und sah einen hellen Stern am Himmel. Einen Schweif an einem fliegenden Objekt und etwas sprach: „HO HO HO, FROHE WEIHNACHTEN lieber Wind und Dir auch kleine Clara…“ und genau so schnell wie das Objekt kam war es auch wieder weg.
„Was du eben gesehen hast, dass erlebt man nur einmal. Es ist das Geheimnis von Weihnachten, es war der Weihnachtsmann. Bei den Menschen glauben nur noch wenige an den Weihnachtsmann, den meisten geht es nur um Geschenke und Geld. Aber der Glaube und die Freunde und die Liebe sind weihnachtliche Geschenke. Liebe Clara, ich bring Dich nun zurück an den Ort, in dem Du gelandet bist und erlebe die nächsten Tage. Pass auf Dich auf, damit du noch viel lernen kannst und Kinder sind unschuldige Seelen, solange sie noch jung sind. Wenn sie dich verformen oder durch die Luft schmeißen, dann nimm es ihnen nicht übel, sie genießen noch die Natur, sie Leben noch Ihre Umwelt und diese Menschen können wir auch verstehen.“

Wenig später war Clara wieder im Garten, in dem alles begann. Sie legte sich zu den anderen Flöckchen und erzählte Ihnen von den Erfahrungen, die sie gemacht hat. Viele von Ihnen erging es schon ähnlich und niemand hat das Erlebte jemals vergessen. Die schönen Erinnerungen bleiben bestehen.
Etwas grelles blendete Clara am morgen und etwas lautes schrillte durch ihre Ohren. Kinder spielten im Garten und bauten einen Schneemann. Woher sie das wusste? Die anderen Flocken haben es ihr berichtet. Er war sooo groß und die Schneeflocken hielten sich alle fest zusammen, weil sie mit den Kindern spielen konnten. Es war etwas schönes… doch die Sonne strahlte und dem Flöckchen wurde warm.
„Warum machst du das?“, fragte Clara die Sonne.
„Warum mache ich was kleine Clara?“
„Na, warum scheinst du sooo doll, dass mir ganz warm wird?“
„Das ist dein Herz, dir wird warm ums herz kleine Clara. Heute ist es viel zu kalt, als dass ich euch schaden könnte. Und ich will es auch gar nicht. Es ist Weihnachten und es ist friedlich hier in der Gegend. Ich schaue gerne der Erde zu, wenn sie friedlich in meinen Strahlen liegt. Und du liebe Clara solltest das auch genießen. Es soll nämlich bald tauen, und das bedeutet, dass du nicht mehr als Schneeflocke lebst. Also genieß es…“
„Aber Sonne, warum existiere ich nicht mehr als Schneeflocke.“
„Clara, du bist in einer Welt, in der alle Lebewesen und Naturereignisse sich abwechseln. Also auch du bist nicht immer Schnee. Und nun geh spielen. Ich schau Dir noch etwas zu.“

Und Clara genoss die schönste Zeit ihres Lebens und spielte mit den Kindern, den Flocken und allen Tieren und Naturereignissen, die sie noch in ihrem kurzen Leben als Schneeflocke traf. Und sie sah nicht mehr so ordentlich edel aus, sie war etwas schmutzig und nicht mehr so kristallartig, aber überglücklich.

Vielleicht treffen wir ja Clara bald wieder.

Ich wünsche Euch eine schöne Weihnachtszeit und schenkt jedem mindestens ein Lächeln.

(geschrieben von mir im Jahre 2005)

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